Die Trimards

Die Trimards waren bettelnde Vagabunden aus dem Italien der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts, die sich besonders darauf verstanden, ohne Arbeit durch die ganze Welt zu reisen. Sie lebten von Almosen, von kleinen Schmarotzereien und harmlosen Diebstählen. Auf den Dampfern reisten sie als blinde Passagiere, auf den Eisenbahnen zwischen den Achsen der Güterzüge, beuteten die Wohltätigkeitsvereine sowie die Kassen der Konsulate aus und rührten das Herz der im Ausland lebenden Landsleute. Es kam ihnen aber auch nicht darauf an, sich je nach Bedarf als Angehörige einer anderen Nation auszugeben. Ebenso leichthin wechselten sie ihre Glaubensbekenntnisse, sei es nun, daß sie einen Priester, einen Pastor oder einen Rabbiner vor sich hatten. Sie hatten das Vagabundieren und die Bettelei zu einer hohen Kunst entwickelt. Niemals gaben sie zu, daß sie Habenichtse waren, stets waren sie nur vorübergehend ins Unglück geraten, hatten durch irgendeinen Zufall ihre Arbeit verloren oder wurden um ihr Gepäck gebracht. Vor Sportsleuten spielten sie den Sportler, vor Revolutionären den Umstürzler, vor Betschwestern den braven altmodischen Bürger. In den meisten Fällen waren sie von besserer Herkunft, hielten sich sauber, kleideten sich einfach und liebten es, sich durch Bärte und Brillen ein professorales Aussehen zu geben.

Durch lange Erfahrungen hatten sie es fabelhaft heraus, die lieben Nächsten zu beschwatzen und auszunutzen. Alles war ihnen willkommen, nicht nur Geld, weil alles verkäuflich ist, seien es nun Lebensmittel, getragene Kleider oder sogar Bücher und Arzneimittel. Auch gute Empfehlungen waren von ihnen begehrt. Sie verfolgten in den Zeitungen die Heiratsanzeigen, die Todesfälle, die Geburts- und Namenstage, die Gewinnlisten der Lotterien und die Ankunft von Verwandten, die von weither kamen, und stellten sich unweigerlich dann und dort ein, wo niemand ein Almosen verweigern wollte. Ein jeder verfaßte einen schriftlichen Bericht über seine interessantesten Fälle und händigte ihn, ehe er die betreffende Stadt verließ, einem Mitgliede der Gesellschaft aus, das ständig in der größten Stadt des betreffenden Landes wohnte und für ein bestimmtes Gebiet als Leiter und Vertrauensmann zuständig war. Durch den Austausch ihrer Erfahrungen wußten sie genau, an wen sie sich in diesem und jenem Ort wenden, bei wem sie wohnen und Vorschuß bekommen konnten, wo sie mit getragenen Kleidern und Wäsche versorgt wurden, wo ihnen in Krankheitsfällen und bei Scherereien mit der Polizei geholfen werden konnte.

Walzender Geselle 1920