Lumpenbrüder sind dufte Kunden!

Betteln, Saufen, Singen, Feiern, Schmarotzen, Weiber nachglotzen - wir sind die rüpelhafte Alternative gegen Spießertum und Langeweile. Wir sind beliebt, wo wir auch hinkommen. Wir feten mit Punkern und Skinheads - aber auch mit den Herren und Frauen Bürger, wenn sie uns Speis und Trank ausgeben. Wir pennen im Wald und nächtigen beim Herrn Pfarrer - und noch lieber bei den hübschen Dingern. Uns sind die Burschen wohlgesonnen, die Mädels noch viel wohlgesonnener. Wir sind etwas, was es kaum noch gibt: kultivierte Landstreicher! Lumpen Heil!

    Omnia tempus habent!

    „Wer ist der Mensch, der sich erkühnt, freiweg sein Lied zu singen? Ich fürchte, es wird ungesühnt auch mir ins Herze dringen ...“, heißt es in einem alten Lied. Zu welcher Zunft zählen die fahrenden Sänger, die ohne Zungenzaum den lebensvollen und liebestollen Versen ihre natürliche Freiheit belassen und mit ungefesselten Händen aus den Saiten ihrer Musikgeräte freche Melodien zaubern? Einen Landstreicherorden hat es selten gegeben, denn allen Einzelgängern widerstreben Satzungen, Programme und Statute. Und Einzelgänger sind sie alle, die Tippelbrüder, Vagabunden, Scholaren, Gaukler, Stromer, Fechtbrüder, Moritaten- und Bänkelsänger, Bettler, Landstreicher, Handwerksburschen, Halunken, Monarchen und Banditen. Die Lieder dieser „Ritter der Landstraße“ sind unzählbar, aus allen klingt die Lust an den Freuden des Daseins, die Liebe zur Heimat, die Absage an jeglichen Zwang, der Zweifel an der Heilsgewißheit im Jenseits und die Klage über die ungerechte Verteilung der Güter dieser Welt.

    Die fröhliche Unbekümmertheit der jeder Obrigkeit verdächtigen Penner, Nichtsnutze und Habenichtse, die sich gegen die Anforderungen des Zeitgeistes ebenso auflehnen wie gegen alle staatlichen Versuche, sie zu brauchbaren Mitgliedern ihrer Gesellschaftsordnung zu erziehen, wertet diese Einzelgänger wohl in allen Regierungsordnungen zu asozialen Elementen ab. Ultima ratio: Gitter und Galgen.

    Ist der echte Lumpenbruder in unserer von Zweckmäßigkeiten bestimmten Welt ein unzeitgemäßer Menschenschlag geworden, dem niemand mehr die charaktervolle Ausprägung einer eigenwilligen Lebensführung zubilligt? Die buntschillernde Vielfalt der fahrenden Gesellen sollte euch Leser jedoch fragen lassen, ob die offenherzigen Bekenntnisse der Lumpenbrüder und anderer Landstreicher nicht geeignet sind, gerade euch das Geständnis zu entlocken, daß ihr nicht mehr den Mut habt, eine innere und äußere Unangepaßtheit mit dem gleichen Freimut zu offenbaren.

    Der Stromer ist die zeitlose Symbolgestalt am Rande einer Gesellschaftsordnung, die sich seit Menschengedenken bemüht hat, ihre Mitglieder nicht zu eigenständig denkenden Außenseitern werden zu lassen. Mit Geboten und Verboten schirmt sie die von ihr vereinnahmten Menschen nach allen Seiten vor ausbrecherischen Gelüsten und Verlockungen ab. Die Zufluchtsorte der mit dem Bann Belegten, der als friedlos und rechtlos Erklärten, sind denn auch die Straßen, die Schenken, die Kammern verschwiegener Töchter der Venus und die abseits gelegenen Gefilde naturhafter Landschaften.

    Omnia tempus habent - Jegliches hat seine Zeit! Die Lumpenbrüder aber sind zeitlos!

    Lumpenbrüder